Über die Schildkröte und ihre Bedeutung im Alten Ägypten wissen wir nicht viel. Doch wir wissen, dass sie zu den Feinden des Sonnengottes Re gehörte. Sie war also weder heilig, noch wurde sie verehrt. Das Gegenteil schien damals der Fall zu sein.

Schildkröte behindert die Sonnenbarke

Die Schildkröte behindert im Alten Ägypten die Tagesfahrt der Sonnenbarke. Deshalb wird sie vom König vor den Augen Res niedergestochen. Doch wie das mit ihrem Wesen zusammenhängt, bleibt bisher leider im Dunklen.

Schildkröte behindert den Weg zu Re

Im Neuen Reich findet man häufig auf Särgen die Formel: „Es lebe Re, es sterbe die Schildkröte.“ Denn auch den Weg des Toten durch die Unterwelt behindern Schildkröten. Sie können den Weg des Toten zum Sonnengott Re vereiteln. Deshalb gibt es im Totenbuch einen Spruch, der die Schildkröten abwehren soll.

Totenbuch der Ägypter: Spruch 161

„Spruch, eine Öffnung in den Himmel zu brechen, von Thot für Wennefer verfertigt, als er die Sonnenscheibe aufgeschlossen hat.

Es lebt RE, es stirbt die Schildkröte.
Vereint ist der Körper mit der Erde,
vereint sind die Knochen des Osiris NN.

Es lebt RE, es stirbt die Schildkröte.
Wohlbehalten ist der, welcher im Sarg ist;
der im Sarg ist, ist Osiris NN.

Es lebt RE, es stirbt die Schildkröte,
erstickt (?) durch das Fleisch des Kebehsenuf.
Der zu ihren Pflichten gehört, ist Osiris NN.

(Nachschrift)
Was jede Mumie betrifft, für die man das Bild ausführt über ihrem Sarg,
für die werden vier Öffnungen im Himmel aufgetan:
eine für den Nordwind – das ist OSIRIS;
eine andere für den Südwind – das ist RE;
eine andere für den Westwind – das ist ISIS;
eine andere für den Ostwind – das ist NEPHTHYS.

Jeder einzelne von diesen Winden, die in seiner Öffnung sind, dessen Pflicht ist es, in seine Nase einzutreten …“¹

Deutung: Der Weg in die Ewigkeit

Warum der Alte Ägypter die Schildkröte als Gegenspieler zu Re auswählte, ist schwer zu begreifen. Denn die Schildkröte eignet sich eigentlich hervorragend dazu, einen positiven Platz im Totenreich einzunehmen. Ihr Panzer ist langlebig und bietet ihr einen geeigneten Rückzugsort, der noch dazu mobil ist.

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit lag es daran, dass die Ägyptische Landschildkröte in der Wüste lebte. Die Wüste war das Gebiet von Seth und gehörte nicht mehr zu Ägypten, sondern war Fremdland. Damit gehörte die Schildkröte zum Gefolge des Seth. Die Schildkröte zählte: „… zu den „Wartenden im Gefolge des Seth“, die den gesamten Nil „schlürfen wird“, falls es Seth gelingen sollte, in „das Lichtland in der Duat“ einzudringen.^„2

„Osiris NN“ in Spruch 161 ist der Tote selbst. Er trägt diesen Beinamen, wenn er sich vor dem Totengericht erfolgreich rechtfertigen konnte. Der Spruch soll helfen, damit der Tote in den Himmel gelangt. Denn die vier Öffnungen sind gleichermaßen Atemhauch, die den Toten wiederbeleben und Himmelsöffnungen, die seinen Weg ins ewige Jenseits öffnen.

Quellen

• „Landschildkröte.“ Beitragsbild von Gauthier Pous auf Pixabay.
• „Schildkrötenkopf.“ Bild von Nici Keil auf Pixabay.

• Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 681 (Schildkröte).
• ¹Hornung, Erik (1979 Einleitung, Übersetzung und Erläuterung), „Das Totenbuch der Ägypter“, Artemis & Winkler Verlag, ppb-Ausgabe 1998 Patmos Verlag GmbH & Co. KG, 2. Auflage 2000. Spruch 161 auf Seite 338.
• ²Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 2016, 07. September). „Ab Schetui“ (Stand: 10.03.22).