Ohne den Nil, mit seinen fruchtbaren Überschwemmungen, hätte sich keine so großartige Hochkultur im Alten Ägypten entwickeln können. Ohne den Nil wäre das Land eine Wüste gewesen. Denn außer ein paar Oasen existiert dort kein Wasser. So war der Nil schon damals die Lebensader im Alten Ägypten, der das Land regelmäßig mit Nährstoffen beschenkt.
Die Nilschwemme im Alten Ägypten
Die Nilschwemme kam einmal im Jahr und überschwemmte das Land. Das überschwemmte Land nannte man Nilschwelle. Dabei handelte es sich um einen Streifen Land von mehreren Kilometern Breite. Wenn das Wasser dann abfloss, hinterließ es einen fruchtbaren schwarzen Schlamm, den die Alten Ägypter für ihre Landwirtschaft nutzten. Sie nutzen ihn auch für den Bau ihrer Häuser, denn er enthielt Ton. Daher stammt der Name Ägyptens, „Kemet – das schwarze Land„.
Um das Wasser aufzufangen und zu speichern, bauten die Alten Ägypter Kanäle und Speicherseen. Dazu bildeten sie verschiedene Gaue, wo sich die Menschen eines Landstriches zusammenschlossen. Denn dazu waren gemeinsame Kraftanstrengungen nötig. Die Gaue wurden jeweils von einem Gaufürsten verwaltet.
Die Alten Ägypter nannten den Nil in ihrer Sprache den „großen Fluss“ oder „Strom“. Erst später bezeichneten sie den großen Fluss als Nil, abgeleitet aus dem griech. Wort Neilos.
Nil als Haupthandelsweg im Alten Ägypten
Über den Fluss wurde fast alles transportiert, auch schwere Güter wie Holz und Steinblöcke. Letztere benötigte man für den Bau der Pyramiden. Holz importierten die Alten Ägypter aus Syrien und Palästina. Da es Sandbänke im Nil gab, befuhr man ihn nur tagsüber, um ihnen ausweichen zu können.
Mythologische Deutungen
Es wird mit Sicherheit Mythen über den Nil im Alten Ägypten gegeben haben, doch davon ist nicht viel übrig geblieben. Es gibt eine Legende, die besagt, dass das Anschwellen des Nils auf die vergossenen Tränen von Isis zurückzuführen ist. Denn sie beweint ihren Gatten Osiris, der von Seth getötet und zerstückelt über das ganze Land verstreut wurde (-> Der Mythos von Isis und Osiris).
Der Nil wurde im Alten Ägypten als eine Personifikation des Stromes verehrt. Er hieß genauso wie das ägyptische Wort für Strom, nämlich Hapi. Gerne wurde er mit Nun, dem Urwasser, aus dem er entstand, verknüpft. Deshalb nannte man ihn genauso wie Nun, den „Vater der Götter“. Doch er war auch ein Geschöpf des Re, was in eine völlig andere Richtung deutet. Der Nil als göttliche Personifikation hatte keine feste Stellung im Pantheon. Er genoss auch keinen regelmäßigen Kult. Selten empfing er selbst Opfer oder wurde verehrt.
Der Nil beschenkt die Menschen
Das Gegenteil ist der Fall. Der Nil beschenkt die Könige und Götter. Er selbst bringt den Menschen Opfer dar. Das passt auch wesentlich besser zu seinem Wesen. Denn der Nil spendet Nahrung. Die Menschen feierten ihm zu Ehren Feste, vor allem wenn die Überschwemmung nahte und einsetzte. An diesen Festen opferten ihm auch Menschen. Sie wussten, dass sie letztlich nur durch die fruchtbare Erde und das Wasser des Nils ihre Speisen erhalten.
Doch es gab auch Zeiten der Not durch Wassermangel. Auch hier wird man dem Nil im Alten Ägypten geopfert haben, wenn auch aus anderen Gründen. Es soll sogar einen König gegeben haben, der aufgrund eines Orakels seine Tochter opferte.
Wie wird der Nil als Person dargestellt?
Der Nil im Alten Ägypten ist eine kosmische Macht. Man stellt ihn in rein menschlicher Gestalt dar. Der Nilgott wird als ein sehr gut genährter Mann dargestellt, mit dickem Bauch (Leib) und schwer herabfallenden Brustmuskeln. Man überlegte, ob es sich bei den Abbildungen um eine androgyne Darstellung handeln könnte, – der Nil als Mann und zugleich Frau. Denn womöglich sind die herabhängenden Brüste weibliche Büste. Doch das ist nicht der Fall. Denn volle und schlaffe nach unten hängende Brustmuskeln war eine typische Darstellung von wohlgenährten ägyptischen Männern. Körperfülle symbolisierte im Alten Ägypten den Spender der Nahrung. Dicke Menschen verknüpfte man in der Regel mit einem Überfluss von Nahrung – auch heute noch.
Der Körper der Nilgottheit ist von blauer Farbe. Ansonsten hat er keine besonderen Abzeichen oder Kennzeichen, die man nicht auch von anderen Göttern kennt. Deshalb ist es schwierig, ihn zu identifizieren, wenn das Bildnis keine ägyptischen Beischriften aufweist. Es gibt verwandte Erscheinungen, die zum Beispiel Gewässer und Jahreszeiten oder Opfer und Nahrung verkörpern. Man fasst sie unter dem Oberbegriff Nilgötter zusammen und versteht sie als Abspaltungen des Nilgottes.
Selten wird der Nilgott als Mann mit normalem Wuchs dargestellt. Anstelle eines menschlichen Kopfes hat er zwei Gänse– oder Entenköpfe.
Der Nil und Osiris im Alten Ägypten
Wenn man sich die existenziell wichtige Rolle des Nils im Alten Ägypten klarmacht, dann verwundert es schon, warum der Nilgott keine wichtige, große Gottheit wurde. Ja, er hätte den Status eines Schöpfer- und Urgottes verdient, die für die Entstehung der Welt sorgten. Doch der Nilgott scheint mythologisch eher eine bescheidene Rolle zu spielen.
Mit großer Sicherheit lag das an Osiris, der mehr und mehr zum Herrn der Überschwemmung und zum Herrn des Nilwassers wurde. Das schwellende, steigende Wasser des Nils wurde mit dem Wiederbeleben und Wiederaufleben von Osiris gleichgesetzt. Man tat noch mehr, man setzte den Nil mit Osiris gleich. Denn Osiris wurde mit dem mythischen Ort der Quelle des Nils identifiziert. Da, wo der Leichnam von Osiris liegt, befindet sich auch die Quelle des Nils. Der Nil wird mit dem Mythos von Osiris eng verbunden. Das ging sogar so weit, dass ein Tod im Nil als beseligt angesehen wurde. Ohne Osiris wäre der Nilgott mit Sicherheit sehr viel bedeutender geworden.
Ein weiterer Gott, der im Alten Ägypten eng mit dem Nil verbunden wurde, war der Krokodilgott Sobek. Auch ihn verehrte man als Bringer der Überschwemmung.
Quellen
- Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 2021, 19. Dezember), „Nil (Altes Ägypten)“ (Stand: 23.12.21).
- Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 2022, 17. Januar), „Nilschwemme“ (Stand: 16.09.22).
- Helck, Wolfgang und Otto, Eberhard (1999), „Kleines Lexikon der Ägyptologie“, 4. Auflage, MZ-Verlagsdruckerei GmbH, Memmingen, Seite 203 (Nil).
- Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 525 bis 528 (Nil).
- Beitragsbild Nil: Der Fluss als Lebensader, Adobe Stock.
- Fruchtbarer Fluss, Adobe Stock.
- Krokodil, Adobe Stock.
- Dicker Mann, Pixabay.