Das alte Ägypten

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Die Prozession im Alten Ägypten

An bestimmten Festtagen führte man im Alten Ägypten eine Prozession mit der Gottheit durch. Solche Umzüge gehörten ganz wesentlich zum ägyptischen Kult. Es gab sogar Feste, die man als Prozessionsfeste bezeichnete, da die Prozession mit der Gottheit im Mittelpunkt stand.

Umzug auf der Prozessionsbarke

Der ägyptische Gott befand sich während der feierlichen Prozession auf einer Sänfte oder Barke. In der Mitte der Barke war ein Schrein bzw. Naos, worin sich das Gottesbild (Kultbild) befand. Allerdings blieb das Naos (Schrein) auf der Barke die ganze Prozession über geschlossen. Denn das Gottesbild musste unsichtbar sein, d. h. geheimgehalten und dadurch vor Profanität geschützt werden.

Prozessionsbarke
Geschlossener Schrein in der Mitte der Prozessionsbarke. Vorne und hinter der Barke wurden stangenförmige Befestigungen für die Träger angebracht.

Doch es gab auch Prozessionen, wo das Bild des Gottes sichtbar war. Dabei handelte es sich meistens um Figuren (Statuen) in kleinen Kapellen (Schreine, Naos), die von zwei Priestern getragen wurden. Die Kapellen blieben die ganze Prozession über geöffnet. Andere Prozessionen fanden ohne Kapellen statt. Man führte lediglich die Statuen der Götter mit.

Der Sinn der Prozession im Alten Ägypten

Prozessionsbarke muss getragen werden
Priester tragen die Prozessionsbarke, in der sich die Gottheit befindet, auf ihren Schultern.

Häufig war der Auszug eines Gottes der Höhepunkt eines Festes, zumindest für das Volk. Denn ins Allerheiligste, wo der Gott normalerweise wohnte, hatte kein Gläubiger Zutritt. Die Prozessionen hielten den Glauben an die Götter lebendig. Die Menschen kamen in die Nähe ihres Gottes, spürten seine Herrlichkeit und waren tief ergriffen.

Jede Bewegung der Sänfte oder Barke wurde als ein Zeichen des Gottes gewertet und wie ein Orakel gedeutet. Es gab aber auch die Möglichkeit, den Gott direkt um ein Orakel zu bitten: durch das Barken- oder Prozessionsorakel.

Den sprachlichen Ausdruck „Auszug eines Gottes“ ersetzte man im Laufe der Zeit durch „Erscheinen eines Gottes“. Dadurch erfahren wir, was den Gläubigern wichtig war und was sie erlebten. Sie erlebten keinen Auszug des Gottes, sondern sie erlebten die Präsenz Gottes, sein Erscheinen.

Doch die Prozession entstand nicht aus dem Verlangen des Menschen, sondern in Zusammenhang mit der (heiligen) Geschichte des Ortes und des dort verehrten Gottes.

Prozession im Alten Ägypten als Besuchsreise

Meistens wurde eine Besuchsreise dann vorgenommen, wenn zwischen den Göttern nachbarschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Zum Beispiel besuchte Min von Koptos seine Mutter Isis, oder Upuaut von Siut zog zum nahen Heiligtum von Anubis. Es konnten auch Erinnerungsfahrten sein, wenn z. B. ein altes Geschehen (Mythos) immer wieder aufgefrischt und in Erinnerung gerufen werden sollte. Manchmal besuchten die Götter auch den König, wo sie im Palast mit Opfergaben empfangen wurden und am nächsten Tag wieder zurück in ihren Tempel reisten.

Prozessionen mit dem Pharao

Es gibt wohl kein altägyptisches Fest, das ohne Prozessionen auskam. Auch der Pharao nutzte Prozessionen, um sich bekannt zu machen und als Herrscher aufzutreten. Daher sind Prozessionen auch ein wichtiger Bestandteil der Feierlichkeiten während der Thronbesteigung bzw. Krönung.

Fahrt durch das Land

Bei dem Prozessionsfest „Fahrt durch das Land“ zog der König (in Begleitung von Göttern) durch das Land, um Recht zu sprechen und Geschenke für besondere Leistungen der Bevölkerung zu verteilen. Denn ursprünglich waren die Dorfvorsteher und Kleinfürsten für die Versorgung des Königs verantwortlich. Mit starken Abwandlungen hielt sich das Fest bis in die Spätzeit.

Narmer-Palette Siegesprozession und Horusgeleit
(Vergrößerung der Narmer-Palette). Das Horusgeleit zeigt den Pharao Narmer mit der Krone Unterägyptens. Seine Standartenträger führen den Siegeszug an. Er besichtigt seine besiegten Feinde, deren Köpfe abgeschlagen wurden und sich zwischen den Beinen befinden.

Horusgeleit

Die „Fahrt durch das Land“ in Zusammenhang mit der Versorgung des Königs wurde von einer Heerestruppe begleitet, die man auch als Horusgleit bezeichnet. Der Grund, das Heer mitzunehmen, dürfte darin bestanden haben, dass nicht nur die guten Leistungen belohnt wurden, sondern fehlende Leistungen und böse Handlungen bestraft wurden.

Beim Horusgeleit handelt es sich um eine Prozession, die den König als lebenden Horus symbolisiert. In seinem Gefolge konnten durchaus andere Gottheiten sein. Ab der 3. Dynastie vollzog sich ein Bedeutungswandel, denn nun war nicht mehr Horus der umfassende Himmelsgott, sondern der Sonnengott Re. So wurde der König zum Sohn des Re bzw. ab der Neuzeit zum Sohn des Amun-Re. Mit diesem Bedeutungswandel verschwand auch das Horusgeleit und die damit verbundene Viehzählung und Rechtsprechung.

Der Prozessionsweg im Alten Ägypten

Prozessionsweg
Prozessionswege in der Nähe der Tempel sind oft von Sphingen umsäumt.

Der Prozessionsweg wurde festlich und feierlich gestaltet. Er wurde manchmal mit Reinigungsmittel bestreut, zum Beispiel mit Sand. Der Weg, welcher unmittelbar zum Tempel führte, war manchmal mit Sphingen umsäumt und auch innerhalb des Tempels wie ein Festweg gestaltet. Das tat man nicht nur für die Frommen, sondern in erster Linie für den Auszug und Einzug des Gottes.

Man baute entlang des Prozessionsweges mehrere Opferstätten. Sie alle waren mit Gaben gefüllt, die man dem Gott reichte. In kleinen leichten Kapellen, die man extra errichtete, konnte sich der Gott niederlassen und ausruhen.

Im Alten Ägypten bewegte sich die Prozession nicht nur über das Land, sondern auch über das Wasser. Die meisten Prozessionen fuhren ein Stück entlang des Flusses. Dazu gab es neben den Prozessionsbarken auch gut ausgestattete Flussschiffe. Es gab sogar Prozessionen, die ausschließlich auf dem Nil stattfanden. Diese Schiffsprozessionen hatten einen eigenen Namen, der sich mit „Ruderfahrt“ übersetzen lässt.

Unabhängig davon, ob die Prozession im Alten Ägypten über Land, über Wasser oder beides führte, die Priester waren sowohl für das Tragen der Prozessionsbarken als auch für die Bemannung des Gottesschiffs zuständig. Wenn der König an der Prozession teilnahm, führte er selbst das Ruder bzw. nahm bei der Anlegestelle das Anlegetau in seine Hände.

Prozession in Kairo 2021

Anfang April 2021 fand eine beeindruckende Prozession von 22 Königen und Königinnen durch Kairo statt. Auch die legendäre Pharaonin Hatschepsut war dabei und „der Große“, nämlich Pharao Ramses II. Man wählte diese Form des Umzugs nach altägyptischem Vorbild der feierlichen Prozession, um die 18 Herrscher und 4 Herrscherinnen in das neu eingeweihte Museum (NMEC) zu bringen.1

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Quellen und Einzelnachweise

1 Süddeutsche Zeitung (03.04.2021), „Mumien in feierlicher Prozession durch Kairo transportiert“ (Stand: 25.01.22).

  • Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg, Seite 610 bis 614 (Prozession).
  • Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 2021, 19. September) „Götterorakel im Alten Ägypten – Prozessionsorakel“ (Stand. 25.01.22).
  • Wikipedia (zuletzt aktualisiert: 11. September 2023), Horusgeleit.