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Osiris – Herr über das Totenreich

Der ägyptische Gott Osiris ist, bevor er Herr über das Totenreich bzw. Herr über die Unterwelt wurde, ein weltlicher Herrscher gewesen. Er sorgte für Wohlstand und sittliches Handeln. Deshalb wurde er auch als Gott des Fruchtlandes bezeichnet.

Bildliche Darstellungen des Osiris

Osiris wird meist menschlich abgebildet, mit weltlichen Symbolen seiner Königsherrschaft. Allerdings scheint gesichert, dass er diese vom Gott Anezti (aus Busiris) übernahm, mit dem er verschmolz. Als übernommene Abzeichen gelten: Geißel, Krumm-Stab und die Federn, welche seine Krone umrahmen.

Mit Ausnahme seiner Arme und des Kopfes gibt es Darstellungen, wo die Form seines Körpers oft undifferenziert wirkt. Womöglich soll sie auf den Körper einer Mumie hindeuten, die umwickelt, ebenfalls nur Umrisse erkennen lässt. Zu dieser Deutung passt die Farbe Weiß als Farbe der Mumien-Binden.

Seltener wurde er als gehender Mensch dargestellt. In solchen Fällen ist seine Hautfarbe manchmal grün oder schwarz. Das soll auf seinen Aspekt der Natur bzw. auf die fruchtbare schwarze Erde deuten, nicht auf seine Funktion als Gott des Totenreiches.

Osiris - Herrscher über das Totenreich
Ägyptischer Gott Osiris mit den Herrscherinsignien – Geißel und Krummstab.

Osiris als weltlicher Herrscher

Bevor Osiris in seiner Rolle als Herr über das Totenreich bekannt wurde, war er ein weltlicher Herrscher. Er schien ein sehr beliebter und guter Herrscher gewesen zu sein.

  • Er verhalf den Menschen zu Wohlstand und sittlichem Handeln.
  • Osiris lehrte Acker- und Weinbau.
  • Er erließ Gesetze und
  • war für den Gottesdienst verantwortlich.

Seine Schwester und Gemahlin, Isis, stand ihm helfend zur Seite.

Die Bedeutung seines Namens ist nicht gesichert. Eine mögliche Richtung, ihn als die „Stätte des Auges“ zu übersetzen, ist womöglich eine Anspielung auf „dass man ihn gerne sieht“. Denn sein Wesen gleicht einem Heroen, der auch heute immer noch bekannt und beliebt ist. 

Der ägyptische Gott Osiris hielt Einzug in die Neunheit der Götter. Seine Eltern sind Geb und Nut. Neben seiner Schwester-Gemahlin, Isis, hatte er zwei weitere Geschwister: Seth und Nephthys.

Herr des Fruchtlandes

Ein weiterer, ihm bleibender Wesenszug: Osiris galt als Herr des Fruchtlandes. Das dürfte sich aus seiner familiären Beziehung zu Geb, der Erde, erklären. Mit ihr bleibt er auch als Totengott eng verbunden.

Mit der Erde verknüpften die Ägypter das Wasser, denn wenn der Nil anschwillt, hinterlässt er fruchtbare und schwarze Erde. Erst das Wasser macht die Erde fruchtbar und bereit für die Entstehung von Leben.

In diesem Sinne gab man ihm viele Namen:

  • „Der große Schwarze“, seine Beziehung zur schwarzen Schlamm-Erde des Nils;
  • „Der große Grüne“, mit Fruchtbarkeit korrespondierend;
  • „Ausfluss des Osiris“, eine Bezeichnung des Nils und Identifikation Osiris mit dem Nil;
  • „Herr des Weines im Überfluss“, auf Wachstum und üppige Ernte hindeutend.

Herr über die Unterwelt

Der wohl bekannteste Wesenszug von Osiris dürfte seine Herrschaft über das Reich der Toten sein. Er wurde durch seinen Bruder Seth aus dem königlichen Leben gerissen, zerstückelt und über das ganze Land verstreut. Nachdem ihn Isis und seine Schwester Nephthys gesucht, gefunden und zusammengesetzt hatten, konnte er wieder belebt werden. 

Es gibt abgewandelte Versionen des hier, nur kurz angedeuteten Mythos. Ihnen allen ist aber gemein: Osiris steht mithilfe seiner Schwestern von den Toten wieder auf und wird zum Gott und Herrscher über das Reich der Toten. Des Weiteren zeugt er nach seiner Auferstehung mit Isis seinen Sohn Horus, der sich im Kampf gegen Seth behauptet und damit sein weltliches Erbe antritt.

Osiris im Totengericht
Osiris wird nach seiner weltlichen Herrschaft Richter im Totengericht.

Richter über das Totengericht

Bevor der ägyptische Gott Osiris seine Herrschaft über die Unterwelt antreten kann, kommt er vor das Göttergericht in der Fürstenhalle von Heliopolis (On). Dort wird ihm, nicht Seth, Recht zugesprochen und erst dann ist sein weiteres Leben gerechtfertigt.

Deshalb wird im Totengericht, wo sich jeder für sein Leben zu verantworten hat, der Verstorbene selbst zu Osiris, wenn er sich rechtfertigen kann. Gerechtfertigt und damit unsterblich ist der, dessen Herz nicht schwerer als die Feder der Maat ist. Der Tote, der diese Prüfung besteht, führt den Titel: „… der Gerechtfertigte“. Ist das Herz jedoch schwerer als die Feder der Maat, so ist das Leben zu Ende und der Tod endgültig. Die Verschlingerin nährt sich von den zu schweren Herzen. Osiris fungiert hier als oberster Richter über das Totengericht.

In allen Hochkulturen symbolisiert die Waage Gerechtigkeit, Weisheit, Wahrheit, Gesetz und soziale Ordnung.

Als Herrscher der Unterwelt ist Osiris auch die Nachtsonne, die ihren Lauf durch die Unterwelt nimmt. Ebenso wird der Mond, als nächtliche Sonne, mit ihm identifiziert. Damit entsteht eine enge Verbindung zu Re selbst. Beide ergänzen sich und bilden zusammen eine Art Doppelseele. 

Zyklus von Werden und Vergehen

Überblickt man das Leben des Osiris, so fällt Folgendes auf: Er ist zwar göttlicher Herkunft, aber seine Herrschaft und sein Wirken erscheinen eher menschlich. Wie ein Mensch stirbt er, um dann wieder aufzuerstehen. Doch dadurch kann er seine Herrschaft in der Welt der Menschen nicht weiterführen. Er herrscht nun über das Reich der Toten.

Eine Parallele aus dem Leben des Osiris lässt sich aufgrund seiner engen Verbundenheit zur Natur weiter verfolgen: Die Natur ist Werden, Reifen, Vergehen und wieder Neu-werden.

Vier Jahreszeiten
Jahreszyklus, Frühling, Sommer, Herbst und Winter – Werden und Vergehen.

D. h., die Stationen seines Lebensweges können als Zyklus gedeutet werden, wobei sich das Neu-werden einerseits auf Osiris selbst bezieht, das Leben im Totenreich. Andererseits verweist es auf seinen Sohn Horus, der das Erbe des Vaters antritt.

Möglicherweise hat erst die Aufnahme von Osiris in die Neunheit diese enge kosmische Verbundenheit zur Natur noch deutlicher hervortreten lassen.

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Quellen

  • Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 568 bis 576 (Osiris).
  • Der Gott Osiris“ (Originalveröffentlichung in Kemet 9, Nr. 2, 2000) S. 10 f.

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