Rinder wurden schon früh im Alten Ägypten als Verkörperung göttlicher Kräfte verehrt, so auch der Stier. Man fand zahlreiche Beisetzungen von mumifizierten Rindern, die das bezeugen. Rinderköpfe wurden gerne als Schutzsymbol verwendet und in Form von Amuletten getragen. Es gibt zahlreiche Kulte von Rindern, Kühen und Stieren.
Stier – die geballte Lebenskraft
Bei den männlichen Rindern, den Stieren, wurden insbesondere deren physische Stärke und Zeugungskraft verehrt. Namentlich erhielt der Stier unterschiedliche Titel: „Stier seiner Mutter“ und „starker Stier“, die auf seine Kraft hindeuten. Daher wurde der König, aber auch einige Urgötter mit dem Stier identifiziert, der geballten Lebenskraft.
Stierkulte sind im Volk populär
Delta ist das Hauptland der Rinderzucht gewesen. Deshalb gab es dort zahlreiche Stierkulte. Bekannt geworden sind vor allem die des Apis, Buchis und Mnevis.
Die Stierkulte genossen vor allem im ägyptischen Volk rege Verehrung, mussten sich aber den vermenschlichten Göttern unterordnen, da sie immer der Tiergestalt verhaftet blieben. Daher waren die einzelnen Kulte lokal sehr verschieden – es gab keine übergeordnete Verbindung zwischen den Kulten.
Der Stier und Seth
Es gibt einige Beziehungen zwischen dem Stier und Seth. Der Stier war zu allen Zeiten ein sehr vornehmes Opfertier. Durch seine Rolle als Schlachtopfer wurde der Stier zur Verkörperung des Seth. Seth wird manchmal Stier genannt und auch mit dem Kopf eines Stieres dargestellt. Dabei bleibt es aber, denn der Stier fungiert hier primär als Symbol der Stärke.
Auch Göttern, die eine besondere Schöpfungskraft haben, wie zum Beispiel Hu oder Nun wird der Kopf eines Stieres gegeben, um genau dies auszudrücken.
Stier des Himmels
Manchmal wird der Stier im Alten Ägypten als Ausdruck für Gebieter verwendet. Das verweist auf seinen kosmischen Aspekt. Denn die großen Gestirne, z. B. Sonne, Mond, der Planet Saturn, möglicherweise auch Sternbilder bzw. Sterne werden als „Stier des Himmels“ angesprochen.
Stiere sind im Himmel beheimatet. Es gibt einige Denkmäler und Abbildungen, wo das Stierhaupt, mit zahlreichen Sternen geschmückt, bewundert werden kann. Der Stier hat die Aufgabe, Himmelswege oder Tore zu bewachen. So spielt er in der Unterwelt der Toten eine wichtige Rolle und gibt den Weg nur frei, wenn der Tote den richtigen Namen nennt oder eine auferlegte Prüfung besteht. Auch hilft er ihm dann, in den Himmel zu gelangen.
Quellen
- „Langhorn-Rind.“ Beitragsbild von Jimmie Bartlett auf Pixabay.
- „Zwei Stiere.“ Bild von ELG21 auf Pixabay.
- Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 751 bis 753 (Stier).
- Owusu, Heike (1998), „Symbole Ägyptens“, Schirner Verlag, Darmstadt, Seite 292 (Stier).