Das alte Ägypten

Alles über Götter, Mythen und Symbole

Das alte Ägypten > Ägyptische Mythen > Ägyptische Götter und Mythen > Der Mythos über das Gericht der Neunheit

Der Mythos über das Gericht der Neunheit

Im Mythos über das Gericht der Neunheit liegt der Schwerpunkt beim Gericht selbst. Jeder, der mit dem aktuellen Fall, dem andauernden Streit zwischen Horus und Seth, zu tun hat, wird angehört und darf dort seine Position vertreten. Es werden verschiedene Götter einberufen, um sich ihre Überzeugungen anzuhören.

Der Myhtos über das Gericht der Neunheit

Horus und Seth trugen ihren Streit über das Erbe Osiris in Gebs Gericht vor. Den Vorsitz dieses Gerichts führte Re. Da der Streit zwischen Horus und Seth nun schon 80 Jahre andauerte, beschloss Re die Neunheit von Heliopolis vor seinem Thron zusammenzurufen, um dem Streit endlich ein Ende zu bereiten. Denn alle Menschen und Götter litten darunter.

Zu diesem Gericht der Neunheit brachte Thot das Auge von Horus mit, das Seth ihm im Kampf zuvor ausriss und fortgeworfen hatte.

Es bestanden folgende Parteien:

  • Re bzw. Re-Harachte war auf der Seite des Seth, denn er brauchte seine gewaltige Stärke. Immerhin half ihm Seth im täglichen Kampf gegen seine Feinde, insbesondere gegen Apophis, der die Fahrt der Sonnenbarke aufhalten wollte.
  • Auf der Seite des Horus standen seine Mutter Isis und alle Götter der Neunheit.

Das Einberufen von Schiedsrichtern

Seth merkte, dass ihm Re wohlgesonnen war. Deshalb schlug er Re vor, dass Horus seine Kraft mit ihm messen sollte. Thot jedoch verhinderte das. Atum schlug vor, dass man ein Schiedsrichter zur Rate ziehen sollte, nämlich Ba von Mendes. Ba erschien vor der Neunheit, beobachtete die Streitenden und kam dann zu dem Entschluss, doch lieber Neith entscheiden zu lassen.

Thot schrieb ihr im Namen der Neunheit einen Brief. Die Göttermutter antwortete auf diesen Brief, dass man kein Unrecht tun dürfe. Sie drohte sogar damit, den Himmel auf die Erde fallen zu lassen, wenn Unrecht gesprochen wird. Ihr Rat lautete: Dem Seth soll sein Besitz verdoppelt werden. Er soll die Töchter des Re, Astarte und Anat ehelichen. Horus jedoch soll an die Stelle seines Vaters Osiris gesetzt werden.

Ihr Brief wurde von Thot vor der großen Versammlung feierlich verlesen. Alle gaben der Allmutter recht. Aber Re zögerte immer noch. Er war nicht bereit, ihrem Spruch zu gehorchen. Daraufhin verließen die Götter den Saal und Re zog sich schlecht gelaunt zurück.

Seth
Seth versucht mit allen Mitteln, die Herrschaft zu bekommen.

Verhärtung der Positionen

Dann kam Hathor, die Tochter des Re. Sie versöhnte ihren Vater mit seinem Los. Wieder wurde eine Gerichtsversammlung einberufen. Seth trat vor und pries seine Verdienste, den ungestörten Verlauf des Sonnenschiffes zu garantieren. Dafür aber will er das Amt des Osiris. Als er seine Rede beendet hatte, stimmten ihm fast alle Götter zu.

Thot und Horus waren dagegen. Man könne doch nicht das Amt des Vaters an dessen Bruder übergeben und seinen Sohn leer ausgehen lassen. Ba fand sich plötzlich als Stimmführer der Gruppe wieder. Er behauptete, dass man solch ein Amt keinem Kind geben kann, während der Bruder des Osiris leer ausgeht. Das wiederum fand den Beifall von Re.

Als die Neunheit merkte, dass die Interessen des Re wieder bestärkt wurden, wünschten sie, dass man besser nach ihrem ursprünglichen Plan hätte handeln sollen, dem Rat der Neith.

Gericht der Neunheit
Hathor-Säulen (links); Relief: Horus und Isis (rechts).

Versuch Isis aus dem Gericht auszuschließen

Isis erhob sich, um nun Atum und Chepre als Schiedsrichter zu holen. Auch das widerstrebte der Neunheit sehr. Seth schwor, nicht wieder vor dem Gericht zu erscheinen, solange Isis darin anwesend ist.

Daraufhin vertagte Re das Gericht der Neunheit auf die „Insel in der Mitte“ und verbot dem Fährmann Isis zu übersetzen. Isis jedoch verwandelte sich in eine alte Frau, die ihrem Sohn Mehl zur Frühmahlzeit bringen will. Sie bestach den Fährmann, der sie zuerst nicht übersetzen wollte, mit einem Ring. Als sie auf die Insel angelangt war, verwandelte sie sich in ein wunderschönes junges Mädchen. Sie zeigte sich Seth, um ihn zum Liebesspiel zu verlocken. Seth folgte ihr gerne. Ihm gelüstete nach einem Abenteuer.

Isis erzählte ihm, dass sie eine verwitwete Hirtenfrau ist, deren Herden von ihrem Sohn betreut werden. Jetzt braucht sie aber dringend die Hilfe eines starken Mannes, denn ein fremder Hirte hat sich bei ihr eingenistet und will ihren Sohn vertreiben. Seth sagte ihr sofort seine Hilfe zu. In Ägypten dürfe man doch sein Vieh nicht einem Fremden überlassen, während der Sohn des Mannes leer daneben steht. Da erhob sich Isis, verwandelte sich in einen Riesenvogel und sagte zu Seth: „Damit hast du dein eigenes Urteil gesprochen„.

Seth stand verärgert auf und begab sich zurück zu den Göttern. Re bemerkte seine Verstimmung und fragte nach deren Ursache. Seth gestand, was er der List der Isis erlegen, gesagt hatte. Re konnte nicht umhin zuzugeben, dass Seth sich selbst das Urteil gesprochen hatte. Um Seth zu besänftigen, stimmte er zu, den Fährmann mit dem Verlust seiner Füße zu bestrafen.

Gericht der Neunheit
Nilpferde sind sehr gefährliche Tiere.

Kampf zwischen Horus und Seth

Abends forderten Re und Atum das Gericht der Neunheit auf, Horus endlich mit der weißen Krone Oberägyptens zu krönen und ihn damit in das Amt seines Vaters einzusetzen. Seth jedoch gab sich noch nicht zufrieden. Er schaffte es, Re dazu zu bewegen, eine Kraftprobe zu veranstalten. Diesmal sollten sich Horus und Seth in Nilpferde verwandeln und den Kampf im Wasser austragen.

Während des Kampfes stand Isis klagend am Ufer. Um ihrem Kind zu helfen, fertigte sie eine Harpune an und warf sie ins Wasser. Doch die Harpune traf ihren Sohn, der laut aufschrie. Isis erschrak und löste durch einen Zauber die Harpune von Horus.

Das nächste Mal traf sie Seth, der vor Schmerzen brüllte und seine Schwester beschwor, ihn aus Mitleid zu verschonen. Diesem Wunsch kam Isis nach. Horus war sehr verärgert darüber, stieg aus dem Wasser und schlug seiner Mutter den Kopf ab.

Als die Götter das sahen, beschlossen sie Horus zu strafen, indem sie Isis einen Kuhkopf gaben.

Wieder erschienen alle vor dem Göttergericht der Neunheit. Re befahl Horus und Seth, dass sie endlich in Eintracht leben und aufhören sollen, um das königliche Amt zu streiten.

Horus
Horus – Statue aus Holz.

Gescheiterte Versöhnungsfeier zwischen Horus und Seth

Daraufhin lud Seth Horus ein, um mit ihm ein Fest der Versöhnung zu feiern. Abends schliefen beide miteinander. Horus war listig genug, um den Samen von Seth in seiner Hand aufzufangen. Er brachte den Samen seiner Mutter, als Seth eingeschlafen war. Isis schnitt Horus die Hand ab, warf sie ins Wasser und zauberte ihm eine neue. Dann nahm sie den Samen von Horus und benetzte damit das Frühgemüse des Seth.

Als nun am anderen Morgen Seth wieder vor dem Gericht der Neunheit erschien, um anzugeben, dass Horus für das Amt unwürdig sei, weil er ihn beschlafen hat, erwies sich Isis wiederum als die Klügere. Denn als Thot den Samen des Seth anrief, antwortete dieser vom Grunde des Gewässers, wohin Isis die Hand des Horus geworfen hatte. Aber als Horus sagte, er habe den Seth beschlafen, und Thot den Samen des Horus aufrief, antwortete dieser aus dem Haupt des Seth. Thot gebot dem Samen herauszukommen. Er erschien wie eine Krone auf dem Haupt des Seth. Thot nahm sie und setzte sie dem Horus auf. Damit krönte er ihn ein weiteres Mal.

Seth war sich immer noch des Beistands von Re sicher. Er bestand wiederum darauf, noch einen Wettkampf mit Horus  auszutragen. Sie beschlossen, mit Steinschiffen um die Wette zu rudern. Auch hier gewann Horus, denn er hatte sein Schiff aus Holz gebaut und es mit Stuck versehen, sodass es aussah, als wäre es aus Stein. Seth brach ein Stein aus dem Gebirge und machte ein Schiff daraus. Doch das Schiff des Seth versank sofort. Horus Schiff versank dann ebenfalls, da Seth in Gestalt eines Nilpferds dessen Boot umkippte. Horus wurde von den Göttern daran gehindert, Seth mit seiner Harpune zu töten.

Das Urteil von Osiris

Thot schlug nun vor, Osiris um ein Urteil zu bitten. Osiris ergriff die Partei seines Sohnes. Er mahnte die Götter, sich daran zu erinnern, dass er der Gott der Fruchtbarkeit ist. Dadurch kann er über Gedeih und Verderben auch der Götter bestimmen. Er hat die Macht, das Nilwasser kommen zu lassen oder zurückzuhalten.

Re wollte immer noch nicht nachgeben und argumentierte dahingehend, dass Weizen und Gerste auch ohne Osiris wachsen.

Doch die folgende Antwort von Osiris zwang alle Götter in die Knie. Er wies darauf hin, dass er der Herr der Unterwelt ist und die Macht hat, die ganze Welt und alle Götter zu verderben. Er kann alle Dämonen loslassen, wenn er es nur wollte.

Diesmal gaben alle Horus recht, die Herrschaft zu übernehmen und ließen sich nicht weiter verleiten, einem erneuten Wettkampf zuzustimmen. Sie forderten Isis auf, Seth zur Hinrichtung zu bringen. So erschien Seth, von Isis gefesselt. Als er merkte, dass er sterben soll, unterwarf er sich und gelobte Horus absolute Treue. Alle Götter brachen in Jubel aus. Horus wurde gepriesen als einziger König, als vollkommener König beider Länder bis in die Ewigkeit.

Die Konsequenzen für Seth

Ptah fragte, was mit Seth geschehen soll. Re erbot sich, Seth mit in sein Gefolge aufzunehmen. Er will ihn wie seinen eigenen Sohn in den Himmeln halten und ihm den Donner überantworten, damit die Menschen nicht aufhören, ihn zu fürchten.

In einem anderen Text wird erzählt, dass Horus von seiner Mutter Isis dazu gebracht wurde, gegen Seth zu kämpfen, um den Tod seines Vaters und die Schändung seiner Leiche zu rächen. Isis hatte nämlich die Teile des Leichnams von Osiris gefunden, die über das ganze Land zerstreut waren. Isis erreichte, dass Horus das Königtum des Osiris auf der Erde zugesprochen wurde und Osiris Herr über die Unterwelt wurde.

Als dann Seth sich anschickte, Horus sein Reich streitig zu machen, erschien Osiris aus dem Totenreich, um ihn zum Kampf zu rüsten. Er gab ihm ein Pferd. Horus machte sich auf und trieb Seth vor sich her, vom Osten bis nach den Pforten des Westens, vom Norden bis an die südlichen Grenzen. Er jagte Seth so lange, bis dieser müde wurde und in Fesseln geschlagen werden konnte. So brachte er Seth zu seiner Mutter Isis. Isis ließ Seth ewigen Gehorsam gegenüber Horus schwören. Horus setzte zum Zeichen seines Sieges seinen Fuß auf den Nacken des Seth. Nachdem Seth auch für seine Gefolgsleute geschworen hatte, ließ Thot ihn frei und nahm dessen Gefolgsleute für Horus in den Dienst.

Weiter zu: Anubis und Thot
Zurück zu: Götter und Mythen

Quellen

Bonnet, Hans (2000), „Reallexikon der ägyptischen Religionsgeschichte“, 3. unveränderte Auflage, Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Hamburg, Seite 334 bis 341 (Jenseitsgericht).

Schreibe einen Kommentar

Die Angabe des Namens ist optional.
Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung, Verarbeitung und Veröffentlichung der angegebenen Daten durch diese Webseite einverstanden.
Weitere Informationen darüber, wie wir mit Ihren Daten umgehen, finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.